3.3. Elemente aus der Reformpädagogik
Wir verstehen uns als Teil einer Potentialentfaltungsgemeinschaft inspiriert von den Erkenntnissen und Impulsen von Gerald Hüther.
Lernen vollzieht sich als selbstorganisierter Prozess des Lebens, wenn ein Individuum oder eine Spezies vor neue Herausforderungen gestellt ist – das Leben entfaltet sich als ständiger Lernprozess. Kinder lernen Sprache und alles, was sie zum Leben brauchen, quasi von selbst anhand von Vorbildern und durch selbstständiges Ausprobieren. Sie brauchen dazu einen Raum der Freiheit und Verbundenheit, in dem sie ihrem eigenen Forscherdrang nachgehen und spielerisch die Welt entdecken und gestalten können. Diesen geschützten Raum, in dem sie ihr volles Potential entfalten können, wollen wir ihnen bieten und sie dabei liebevoll begleiten.
Unser pädagogisches Konzept bezieht sich auf Erkenntnisse verschiedener Reformpädagogen, die das Kind als eigenständige Persönlichkeit mit Talenten und Potentialen, den Erzieher lediglich als achtsamen Begleiter betrachten und die Bedeutung der Lernumgebung hervorheben. Auch wenn die genannten Richtungen auf den ersten Blick unterschiedlich anmuten, beziehen wir uns in unserer Schule auf die oben erwähnten Prioritäten und integrieren geeignete Aspekte der verschiedenen reformpädagogischen Ansätze in unserem Schulalltag.
Einen Überblick verschafft die von Loris Malaguzzi bekannt gewordene Reggiopädagogik, wonach Lernfreude und Entfaltung von Begabungen angestrebt werden und auf das Zusammenspiel dreier Komponenten, die das kindliche Lernen beeinflussen, geachtet werden muss: erstens das Kind selbst, das mit seinem inneren Forscherdrang und Interesse an der Umwelt als Konstrukteur seiner Entwicklung und seines Könnens gesehen wird, eigene Bedürfnisse äußern soll und auch eigene Rechte verwirklichen kann. Zweitens das soziale Umfeld, in erster Linie die Familie, die wir nach Möglichkeit miteinbeziehen und die pädagogischen Lernbegleiter, die den Kindern mit Achtung und Wertschätzung begegnen. Als dritter Erzieher wird in der Reggiopädagogik der Raum genannt, also die Umgebung, die pädagogisch wirkt und bewusst gestaltet wird, bedürfnisorientiert und unter Partizipation der Schüler, was wir für wesentlich erachten. Neben der Vermittlung von Geborgenheit, Rückzugs,- und Bewegungsmöglichkeit soll der Raum die Kommunikation und Interaktion stimulieren und zu Herausforderungen anregen. Er unterstützt Bildungsprozesse durch Möglichkeiten der Erweiterung des sinnlichen Ausdrucks und des Entdeckens. Auch das Angebot außerhalb des Schulgebäudes wird hier miteinbezogen, wie die Natur, oder ausgewählte Exkursionen.
Ähnliche Elemente setzen wir aus der Freinetpädagogik um, wobei wir bei der Raumgestaltung in themenorientierte Arbeitsbereiche gliedern, die nach den kindlichen Bedürfnissen gestaltet werden, veränderbar sind und dem Wissens- und Entfaltungsdrang der Kinder entgegenkommen. Wir geben dem Interesse, der Spontanität und der kindlichen Neugier Raum und ermöglichen die kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt durch eigenständiges Erkunden. Kinder dürfen eigene Zugänge zu Themen finden und werden dabei begleitet. Lernarbeit kann selbständig oder kooperativ erfolgen, wodurch Selbstverantwortlichkeit und das demokratische Zusammenleben der Gruppe gefördert werden. In Sitzkreisen reflektieren die Schüler gemeinsam ihre Ergebnisse, halten Klassenrat oder erleben Rituale, was dem achtsamen Umgang miteinander dienlich ist.
Auf Maria Montessori, die auch das Kind in den Mittelpunkt des pädagogischen Handelns stellt, beziehen wir uns bei der freien Wahl der Lernaufgaben, des Tempos, der Zeitspanne und der Sozialform. Wir halten die intrinsische Motivation für die stärkste und möchten den Schülern in einem organisierten Raum ermöglichen ihren Interessen nachzugehen, ihre Aufmerksamkeit zu fokusieren. Daher können sich die Kinder in den Themenräumen frei bewegen und auch an den Angeboten freiwillig teilnehmen. Einige klassische Arbeitsmaterialien, die selbsterklärend das konkrete Begreifen von Themen ermöglichen, bieten wir nach Montessori an und beachten dabei auch die sensiblen Phasen in der kindlichen Entwicklung, in denen die Empfänglichkeit für bestimmte Lernprozesse besonders gegeben ist. Wir setzen auf Lernbegleiter, die die Kinder individuell ganzheitlich beobachten, Impulse setzen, die neugierig machen, damit sie sich ihren Anlagen gemäß entwickeln können. Grenzen, Ordnung und Struktur sind dabei eine Voraussetzung für produktives Arbeiten und ein harmonisches Zusammenleben.
Wir betrachten den Menschen als Einheit von Körper, Geist und Seele. Aufgabe der pädagogischen Lernbegleiter ist es daher, das Zusammenspiel dieser drei Komponenten gleichermaßen zu fördern. Körper und Seele sollen in ihren Ausdrucksmöglichkeiten vielfältig gestärkt werden, ohne das Kind von außen zu formen, damit sich auch die geistige Beweglichkeit entfalten kann. Daher fördern wir das gesamte Wesen des Schülers gleichermaßen, Künste, Sprachen, Handwerk, Bewegung, usw. unter Berücksichtigung der individuellen Verschiedenheiten und Talente. Unterschiedliche Begabungen werden gleich wertgeschätzt. Ähnlich dem Epochenunterricht der Waldorf-Schulen ermöglichen wir den Schülern in länger andauernden Angeboten oder Kursen und Projekten das tiefe Eintauchen in Lernthemen, Gelerntes damit ins Langzeitgedächtnis zu bringen und später wieder hervorzuholen. Rituale, ein Tages,- und Jahresrhythmus bieten zusätzlich Orientierung. Wir bemühen uns um ganzheitliche Angebote, die alle Sinne auf anspruchsvolle Weise anregen. Erfahrungen sollen nicht nur über den Kopf, sondern auch über den Körper und Gefühle vermittelt werden. Die Vorbildwirkung der PädagogInnen spielt dabei eine wichtige Rolle, sie setzt laufende Selbstreflexion und die Freude an ihrer Tätigkeit voraus, wodurch Kinder motiviert und begeistert werden.
Die Kinder und Jugendlichen können vielfältige Lernsituationen kennenlernen, in denen sie Selbstwirksamkeit erleben, ihre erworbenen Kompetenzen erfahren und anwenden können. Das können zum Beispiel lebensweltliche Aufgaben wie das Schreiben einer Einkaufsliste, das Fertigstellen eines Werkstücks von praktischem Nutzen oder das Erleben der eigenen Stimme im Chorgesang sein, aber auch das Arbeiten mit didaktischen Materialien, Präsentationen erarbeiteter Lerninhalte für die Mitschüler oder das Mitwirken an gemeinsamen Projekten unter Einbeziehung der individuellen Stärken. Bei pädagogischen Angeboten und Projekten ist uns der individuelle und alterstypische sowie kulturelle Zusammenhang zur Lebenswelt der Kinder wichtig. Der Lernbegleiter stellt Verbindungen zwischen dem neuen Lerninhalt und den Bedürfnissen und Erfahrungen der Schüler her.